Malique

  Seit ich acht Wochen alt war, bin ich in meiner Familie. Ich habe einen Gefährten, aber er ist sehr klein. Wir verstehen uns gut, obwohl ich gegen den Kleinen ein Riese bin. Ich bin ein großer, schwarzer Hund. Herrchen und Frauchen sind sehr lieb, nur manchmal, wenn sie gegessen und getrunken haben, mag ich sie überhaupt nicht. Frauchen kann dann fast nicht gehen und sie stinkt so fürchterlich, ich kann das nicht ertragen, denn besonders Frauchen ist dann immer sehr laut und ungerecht. In diesen Situationen verziehen wir uns in unseren Korb und sind ganz still. Herrchen hat schon einmal eine Flasche gegen die Mauer geschlagen, da hatten wir richtig Angst. Aber normalerweise sind beide lieb zu uns und wir bekommen auch Futter und dürfen draußen spielen. Wenn es Streit gibt im Haus, laufen wir Hunde immer in den Garten, wenn die Türe noch offen ist, und oft dauert es sehr lange, bis wir es wagen, wieder hineinzugehen. Trotzdem sind wir zufrieden und folgsam.

  Leider gibt es diese schlimmen Dinge jetzt öfter als früher, und oft können wir nicht mehr in den Garten, weil die Türe zu ist. Dann liegen wir im Vorzimmer und warten, bis sich alles wieder beruhigt hat. Manchmal bin ich auch schon böse, denn ich hasse es, und habe auch schon Angst, wenn Herrchen und Frauchen wieder getrunken haben und so schrecklich riechen. Meine Nase ist sehr fein und ich halte das fast nicht aus, und bleibe auf Abstand zu den beiden.

  An einem Abend im Winter, ich glaube, ein Tag vor Heiligabend, gehe ich zu meinem Futternapf und möchte essen. Es ist wieder dicke Luft, und es stinkt im ganzen Zimmer. Hinaus kann ich nicht, also möchte ich jetzt essen. Plötzlich bückt sich Frauchen laut schimpfend zu mir herunter und nimmt meine Schüssel weg. Ich habe sofort den schrecklichen Gestank ihres Atems in meiner Nase, und in dem Moment packt mich die Angst und ich beiße Frauchen. Leider erwische ich sie im Gesicht. Ich bin selbst ganz verstört, dass ich das getan habe, aber ich habe solche Angst vor ihr, und warum will sie mein Futter wegnehmen? Normalerweise macht mir das nichts aus, aber diesmal habe ich einfach in Panik irgendetwas getan, um mich zu schützen, es war keine Absicht, nur Angst! Frauchen blutet und Herrchen brüllt mich an und dann gibt es Schläge und Tritte, ich lasse es über mich ergehen, es tut so weh! Dann nimmt Herrchen mich an die Leine, schleift mich zum Auto und fährt mit mir weg.

  Er bringt mich in eine Tierklinik, gibt mich bei einer Tierärztin ab und sagt: `Schläfern Sie den Hund sofort ein, er hat meine Frau gebissen!´ Er beantwortet noch ein paar Fragen und geht einfach weg. Er geht weg! Mein Herrchen! Aber ich hab Dich doch lieb! Warum hab ich das getan? Was soll jetzt mit mir geschehen? Meine Angst wird immer größer und ich ducke mich. Die Ärztin sieht mich an und sagt, sie möchte mich nicht einschläfern, ich bin erst zehn Monate alt. Aber wohin mit mir?

  Sie streckt ihre Hand nach mir aus, ich fletsche meine Zähne und knurre, ich habe Angst! Sind alle Menschen böse? Sie geht mit mir in den Garten der Tierklinik und telefoniert. Jetzt kommt ein Mann dazu, und je näher er kommt, umso mehr Angst habe ich wieder, ich beginne zu bellen und knurren und springe wie verrückt an der Leine herum. Die beiden sehen mich erschrocken an und binden meine Leine an einen kleinen Baum. Dann gehen sie wieder hinein, ich bleibe alleine zurück.

  Was ist nur mit mir los? Ich war immer ein braver Hund, aber ich bin aufgeregt, nicht einmal hinlegen möchte ich mich jetzt, obwohl ich müde bin, dieser Tag ist einfach zuviel für mich! Ich hab mein Zuhause verloren, Herrchen hat mich geschlagen und getreten, ich habe Schmerzen, aber noch größer ist meine Traurigkeit! Ich wollte Frauchen doch nicht verletzen, aber immer wieder habe ich mich, wenn zuhause gestritten wurde, selbst beruhigen müssen, denn ich wusste nie, wen ich beschützen sollte, Herrchen oder Frauchen.

  Wenn doch die Haustüre offen gewesen wäre! Dann hätte das alles nicht passieren können, denn dann wäre ich draußen gewesen und hätte wie immer gewartet, bis alles vorbei ist. Jetzt kommen die Ärzte wieder, und ich fange sofort zu zittern an. Ich lasse sie nicht an mich heran, belle und knurre! Sie sollen mich doch in Ruhe lassen! Die beiden gehen wieder hinein, sie haben Angst vor mir. Jetzt muss ich mich hinlegen, ich bin erschöpft! Es ist schon dunkel, und ich möchte schlafen, aber ich kann nicht, zu sehr hat mich alles aufgeregt. Hoffentlich muss ich nicht sterben! Aber wer, wer soll mir jetzt noch helfen?

  Wieder öffnet sich die Tür und jetzt kommt eine andere Frau, sie kommt nicht so nahe und sagt nichts. Ich bin verwirrt, und weiß nicht, was ich  tun soll. Sie kommt langsam näher und legt mir blitzschnell einen Beißkorb an. Ich habe das völlig übersehen, und jetzt werde ich erst recht böse! Die Frau nimmt trotzdem meine Leine und geht mit mir weg. Mein Knurren und Fletschen beeindruckt sie nicht. Ich steige ins Auto ein und dann fahren wir ab. Der Weg ist nicht sehr weit, es ist dunkel und als wir ankommen, höre ich Hunde bellen.

  Obwohl ich an der Leine zerre, und versuche, die Frau trotz Beißkorb zu beißen, bringt sie mich zu einem Zwinger. Eine Schüssel mit Futter und Wasser steht drinnen. Eine Hütte und eine Matratze sehe ich auch. Als wir im Zwinger sind, nimmt mir die Frau schnell den Beißkorb ab, geht hinaus und schließt die Gittertür. Ich springe sofort gegen das Gitter und beiße hinein, fast hätte ich noch ihre Hand erwischt. Das Futter riecht gut, aber ich esse nichts, ich lege mich auf die Matratze und schlafe erschöpft ein.

  Am nächsten Morgen sehe ich erst alles genauer. Viele Zwinger stehen hier, meist sind mehrere Hunde drin. Neben mir ist ein Hund alleine. Er wedelt freundlich mit dem Schwanz und wir beschnüffeln uns durch das Gitter. Aber plötzlich beginnt er zu bellen und sieht nicht mehr freundlich aus. Jetzt bin ich enttäuscht, warum mag mich der Hund nicht?   Mit Wehmut denke ich an meinen kleinen Gefährten, der in meinem Zuhause bleiben durfte. Ob auch er an mich denkt? Ich vermisse ihn jetzt schon! Aber viel Zeit bleibt mir nicht, um nachzudenken. Die Frau, die mich in der Nacht hergebracht hat, kommt aus dem Haus und geht zu einem Zwinger. Sie öffnet die Tür und die Hunde laufen heraus auf den Hof. Sie kommen gleich zu mir und schnüffeln durch das Gitter. Einige wedeln mit dem Schwanz, andere bellen mich an. Die Frau ist im Zwinger beschäftigt, und als sie fertig ist, laufen die Hunde zu ihr und sie werden gestreichelt, einige spielen, es gibt sehr viel Spielsachen hier.

  Nach einer Weile geht die Frau ins Haus und die Hunde beschäftigen sich auf dem Hof. Ob ich auch hinaus darf? Ich habe nicht gegessen, ich wollte nichts. Aber herumlaufen würde ich schon  sehr gerne.

  Nachdem die Hunde länger auf dem Hof herumgetollt sind, kommt die Frau wieder und die Hunde laufen brav vor ihr her in ihren Zwinger zurück. Jetzt bekommen sie Leckerlis, die Frau macht die Tür zu und der nächste Zwinger kommt dran.

  So geht es immer weiter, und als sie zu meinem Zwinger kommt, springe ich wieder ans Gitter und knurre und belle. Aber die Frau sagt nur, dass sie keine Angst vor mir hat und ich nicht hinaus darf. Dann öffnet sie meine Tür und sagt ruhig, aber bestimmt `geh zurück!´ und ich gehorche. Hoffentlich kommt sie mir nicht zu nahe, denn dann weiß ich nicht, was ich tue. Sie stellt mir frisches Futter und Wasser hin und als sie die Tür schließt, attackiere ich sie wieder. Sie sagt noch einmal, dass sie keine Angst vor mir hat und bietet mir ein Leckerli an. Ich nehme es nicht, und die Frau geht zum nächsten Zwinger. Warum darf ich nicht draußen herumlaufen?

  Jeden Tag warte ich, dass ich hinaus darf, aber ich attackiere auch jedes Mal mein neues Frauli durch das Gitter. Nach ein paar Tagen spricht sie jedes Mal mit mir, und ich bin jetzt unsicher. Denn es beruhigt mich, aber trotzdem, die Angst bleibt, wenn auch nicht mehr so schlimm.

  Mit jedem Tag werde ich mutiger, und bin auch nicht mehr so wild. Wenn Frauli mein Futter bringt, springe ich nur einmal gegen das Gitter und belle kurz. Mein Leckerli nehme ich auch. So geht das noch längere Zeit, und ich habe die Hoffnung schon aufgegeben, dass ich einmal aus dem Zwinger darf.   Aber heute öffnet Frauli die Zwingertür und sagt, ich darf raus. Im ersten Moment schaue ich nur dumm, denn das kann ich gar nicht glauben! Aber nach kurzem Zögern laufe ich hinaus auf den Hof, und jetzt hab ich viel zu tun! Überall muss ich schnuppern, die anderen Hunde begrüßen, alles schau ich mir an. Wie schön es hier ist, und wie viel Platz zum Laufen es gibt! Frauli putzt meinen Zwinger, wie jeden Tag, stellt Futter und frisches Wasser hin und geht zurück ins Haus. Ich mache einen Bogen um sie, man weiß ja nie! Jetzt laufe ich erstmal aufgeregt überall umher, das ist so schön!

  Nach einer Weile kommt Frauli aus dem Haus und geht zu meinem Zwinger, schaut mich nicht an. Sie hat mir sehr viel Zeit gelassen, meinen ersten Freilauf zu genießen. Sie ruft kurz nach mir und ich sehe, dass sie auf mich wartet. Ich überlege kurz und laufe dann schnell an ihr vorbei in meinen Zwinger. Frauli lobt mich jetzt, und gibt mir ein Leckerli. Müde bin ich jetzt vom Laufen und ruhe mich aus. Ich darf jetzt auch jeden Tag raus auf den Hof! Und das genieße ich, es ist toll, jeden Tag alles wieder zu erkunden. Frauli hat mich noch nicht einmal gestreichelt. Anfangs war es mir egal, aber jetzt möchte ich so gerne ihre Hand spüren. Ich weiß, ich war so böse zu ihr, obwohl sie mir das Leben gerettet hat. Doch auch wenn ich ihr nachlaufe und meine Schnauze in ihre Hand drücke, beachtet sie mich nicht. Ich bin schon sehr brav und folgsam, es gefällt mir hier so gut, und ich würde nie mehr in mein Zuhause zurückgehen. Aber ich möchte Frauli zeigen, wie dankbar ich bin und wie sehr ich sie liebe und ihr vertraue!

  Und dann ist es plötzlich soweit! Frauli putzt meinen Zwinger und dann ruft sie nach mir! So schnell mich meine Pfoten tragen, laufe ich zu ihr hin und bleibe unsicher stehen. Frauli geht in die Hocke, streichelt mich sanft und erklärt mir, dass ich diese lange Zeit gebraucht habe, um zu begreifen, dass mir hier nichts Böses geschieht, es ist ihre Art, mir klarzumachen, dass ich ihr Vertrauen erarbeiten muss. Sie sagt auch, dass ich hier bleibe und nie wieder zu anderen Menschen gehen muss. Sie streichelt mich und ich bin glücklich!

  Jeden Tag freue ich mich schon, wenn ich hinaus kann, um gestreichelt zu werden und mit Frauli zu spielen. Ich habe kapiert, warum ich so lange warten musste, um wie alle anderen Hunde hier dazuzugehören, und das ist wunderschön!

  Ich sammle auch Spielsachen! Immer, wenn ich auf dem Hof einen Ball oder was anderes finde, nehme ich es mit in meinen Zwinger. Frauli amüsiert das immer sehr, denn ich nehme auch schon mal einen Ast oder was ich eben finde, mit.

  Ein kurzer Moment, in dem ich etwas Furchtbares getan habe, hat mein Leben total verändert! Frauli hat mich vor dem Tod gerettet, und ich zeige ihr täglich meine Dankbarkeit! Nie wieder möchte ich hier weg, und wie so viele andere gerettete Hunde hier würde ich Frauli mit meinem Leben beschützen! Das schwöre ich!

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Auch dieses Leben konnten wir retten. Malique lebt glücklich und zufrieden hier auf unserem Gnadenhof, wir hoffen, dass ihm noch viele schöne Jahre bleiben!

Marianne Friesenegger

 

Malique

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